Sonntag, 21. Juli 2013

Verlasse jetzt das Land der Männer, dem weine ich keine Träne nach

Diese Begriffe haben für mich nun eine vollkommen neue Bedeutung :-))


Mitte Juli. Nun ist es 5 Monate her, seit mir bewusst wurde, dass der einzige Weg, in diesem Leben glücklich zu sein, die Entscheidung ist, mein Leben als Frau anzunehmen und den Schritt der Transition zu gehen - der Frau in mir zu folgen und Maßnahmen zu ergreifen, dass ich physich so aussehe, wie ich mich innerlich fühle. Es ist eine wirklich zwiespältige Situation. Einerseits sehne ich mich nach meinem weiblichen Geburts-Tag (Beginn der Hormongaben) und verbringe jeden Tag mit Warten, um diesem Moment näher zu kommen. Andererseits ist jeder Tag ein einzigartiges, wertvolles Geschenk, welches jedem Lebewesen  an die Hand gegeben wird - und es liegt an uns, daraus des Beste zu machen.
Letzten Donnerstag bekam ich meine feste Zahnspange eingesetzt. Witzig wie Babynahrung im Alter von 48 Jahren wieder Einzug in meinem Leben hält. Aufgrund der Bewegung und Empfindlichkeit meiner sich bewegenden Zähne, kann ich kaum Essen kauen, also sind passierte Menüs die Empfehlung des Tages vom Küchenchef. Ich muss sagen, Spaghetti und Tomatensoße sind püriert gar nicht so schlecht - einzig das Aussehen ist etwas gewöhnungsbedürftig ;-). Kein Problem bei Karottencremesuppe oder Kartoffel-Ananas-Currycremesuppe. Aber indisches Butterhühnchen, mein Lieblingsessen, riecht wie gewöhnlich, sieht aber aus wie die Spaghetti mit Tomatensoße püriert, die wir 3 Tage zuvor hatten. Naja, zumindest ist das Basmatireisaroma genau wie bisher - und füllt die Wohnung mit dem Duft eines indischen Restaurants.

Hatte heute meine erste Laserepilationsbehandlung. Gott sei Dank hat die Kosmetikerin eine Krankenschwesterausbildung und ist so umsichtig - als mein Kreislauf meinte, er benötige eine Auszeit hat sie die Situation bravurös gemeistert, Rückenlehne nach unten geklappt, Füße höher gelegt, hat mich mit netten Worten beruhigt... und weiter ging‘s. Trat zu Beginn auf, als ich noch noch nicht wusste, was wirklich auf mich zukommt. Die ersten Laserblitze bitzelten nur etwas, aber nach kurzer Zeit fühlte es sich so an, als ob man sich ab und an mit dem Rasiermesser schneidet. Nachdem der Gesichtsbereich abgearbeitet war, kein Problem mehr - es fühlte sich wie eine elektrisch stimulierte Massage an. Nun gilt es also abzuwarten um zu sehen, wieviel Haare diesmal beseitigt wurden - es wird sich nach dem Rasieren in den nächsten Wochen herausstellen. Ich denke ich werde jede haarfreie Zone mit etwas feiern, was mir gut tut.

Mein Therapeut hat mir heute den Kopf zurechtgerückt. Er hat mir glasklar deutlich gemacht, dass er nicht gewillt ist in meinem Fall in irgendeiner Art und Weise gedrängt zu werden. Die Diagnose wird in diesem Fall - mit 4 Kindern alleinerziehend und dabei 48 Jahre alt - schon Zeit benötigen, damit er diese ordentlich begründen und begutachten kann. Also muss ich lernen geduldig, geduldig, geduldig zu sein....  so wie es mir alle transsexuellen Frauen im Vorfeld an‘s Herz legten. Nun, ich musste es einfach versuchen, schließlich habe ich wohl mehr als die Hälfte meines Lebens schon unglücklich im »Land der Männer« verbracht - aber ich muss mich wohl mit dem Gedanken anfreunden, dass es vielleicht viel länger dauert, als erhofft. Aber egal was kommen wird, ich werde weiter gehen, bis ich die bin, die in mir wartet.




Montag, 1. Juli 2013

Gestern war es besonders schlimm.
Ich schließe meine Augen und sehe und fühle mich wie ich mich vor meinem geistigen Auge empfinde und sehe - als Frau. Dann öffne ich meine Augen, schaue in den Spiegel und der große Frust kehrt ein - diese viel zu männliche Nase, das schüttere, wenige Haar auf meinem Kopf - wie ich es so viele Jahre lang sah.

Ich halte dieses Warten kaum aus, zeitenweise will es mich einfach zerreissen. Wann, wann endlich wird mein Körper sich endlich wenigstens ein Stück weit so anfühlen, wie ich ihn innerlich empfinde? Ich blicke neidisch jedem pubertierenden Mädchen hinterher, denn sie darf spüren und erleben, zur Frau zu werden - für sie ganz normal. Ich habe mir sagen lassen wohl eine Zeit die auch von Unsicherheit und Verunsicherung geprägt ist.  Ich muss darauf warten, dass endlich das Startsignal für mein eigentliches Leben gegeben wird.

Jeder Frau wird von mir sehnsüchtig hinterher geschaut - ich bewundere den Hintern, den Körper, die Brust, die Bewegungen, einfach dass da eine Frau sich leben kann. Wäre ich doch endlich schon wenigstens ein bisschen weiter auf dem Weg. Würden doch schon Hormone beginnen meinen Körper und mich zu verändern, um die zu sein, die in mir auf Befreiung wartet.  Schaue ich auf meine Lebensuhr, so wird es allerhöchste Zeit.
Etwas Trost finde ich darin, dass ich wenigstens auf dem Weg bin. Dass meine Kinder beginnen zu verstehen, warum dies für mich so lebenswichtig ist und es dazu keine Alternative gibt. Wenige Freunde die mir Trost zusprechen und mir helfen, meine Moral aufrecht zu erhalten. Wenige Worte die mir geschenkt werden, die mich manchmal Tage tragen können.
Ich hasse meine Männlichkeit nicht, wie könnte ich, ist sie doch die Basis für die kommende Frau, ich muss sie nur so schnell als möglich hinter mir lassen - wie Purple Schulz so befreiend in "Sehnsucht" schreit:  ICH WILL HIER RAUS!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Ich versuche mich mit kleinen Winzigkeiten von Tag zu Tag zu retten - den gezupften Augenbrauen, lackierten Fußnägeln oder wenn der weibliche Gang sich ganz von alleine einstellt. Es trägt sich schwer, diese Spannung des gefühlt endlosen Wartens auszuhalten. Hoffentlich, hoffentlich gibt es endlich bald den nächsten Schritt, damit das alte Mannsein weiter abgestreift werden kann.
Ruhe und klare Gedanken bekomme ich beim Radfahren in der herrlichen Natur, den majestätischen Bergen, der klaren Luft, den grandiosen Aussichten. Das beruhigt mich kurz und lenkt mich für ein paar Stunden ab.

Danach kehrt das Ich-bin-am-Anfang Bewusstsein mit voller Kraft und Wucht zurück. Ich werde mich dem stellen, denn es gibt nur den Weg nach vorn. Was auch kommen mag, ich werde weitergehen, das Lachen der Teenies über dieses Männergesicht in Perücke aushalten, die strafenden Blicke der Menschen, die das nicht verstehen können erdulden, die Kommentare über diesen Spinner, der jetzt vollkommen durchdreht abprallen lassen. Niemand sieht, wie es in mir tobt. Den Weg den ich jetzt gehe ist besser als alles andere was ich zurück ließ. Das gibt Trost und Kraft für den nächsten Tag - und ich gehe meinen Lebensweg entlang - ONE DAY AT A TIME - von Tag zu Tag.
Purple Schulz + Kamina Sehnsucht