Montag, 16. Februar 2015

Wann ist ein Mädchen ein Junge .... ist ein Mädchen .... wann ist sie sie selbst

Vor einigen Tagen sah ich mit einer Freundin Bilder von mir aus vergangenen Tagen an - und sie war sichtlich begeistert von »dem Kerl« den sie da sah - sie empfand ihn als attraktiv und sehr männlich.
Ich konnte ihr absolut nicht zustimmen, dass diese abgebildete Person ich war - also mich wirklich repräsentierte.

Zugegeben - ich sah ziemlich sportlich und durchtrainiert aus. In dieser Zeit trieb ich wirklich viel Sport - manchmal mehr als mir wirklich gut tat - um einem Männerbild gerecht zu werden - um eine Rolle zu spielen, die ich mit diesem mir zugeteilten Männerkörper zu erfüllen hatte.
Meine Freundin sagte: Weißt du, jetzt kann ich verstehen, warum deine Freunde so verwundert waren, als du deine Transition begannst - du siehst aus wie Männlichkeit pur.

Hatte ich also all die Jahre nur Theater gespielt?

Ja und Nein.
Ich gab mein Bestes um das zu verdrängen, was tief in mir vor sich ging - obwohl ich instinktiv wusste, dass das nie vergehen würde - aber ich hatte doch zumindest die Aufgabe es zu versuchen, oder? Falsch!
Ich machte mir etwas vor - machte die Situation mit jedem Tag, den ich damit zubrachte, zu leugnen wer und was ich wirklich war einfach nur noch schlimmer.

Das Hinterhältige dabei war jedoch Folgendes:
Mit Make-up, Kleidern und Puppen hatte ich nicht wirklich viel am Hut. Ich erfüllte keine dieser weithin akzeptierten Vorstellungen, wie ein Mädchen bitte zu sein hat. Wie sollte mir da denn klar sein, dass ich eigentlich ein Mädchen war?
Bäume hochklettern? Aber natürlich, zeig mir den Baum und ich werde versuchen dort hoch zu  klettern.
Sport treiben und draußen an der frischen Luft Aktivitäten nachgehen? Aber klar doch - je eher desto besser - und es konnte kaum genug davon geben.
Häkeln im Hauswirtschaftsunterricht an der Schule? Nein - nicht wirklich mein Ding.
Mit Jungs zusammen sein - nein - mochte ich nicht wirklich. Ich fühlte mich dabei stets unwohl was und wie sie Dinge taten.
Trat den Pfadfindern bei, blieb dort aber nicht lange - war gar nicht mein Ding - das war eine ganz andere Welt, in der ich das Gefühl hatte, hier passe ich überhaupt nicht hin.
Gitarre spielen und Musik machen? Aber bitte gerne doch - würde am liebsten gar nicht aufhören zu spielen und Musik zu machen.

Dann schlug die Pubertät zu - und der Schock, dass ich mit Veränderungen fertig zu werden hatte, die ich überhaupt nicht wollte - aber ich sah weit und breit keine Chance das alles aufzuhalten.
Ich wusste was ich sein wollte - das Mädchen auf dem Bild dort - diese Illusion, der ich verzweifelt nachhing - wem versuchte ich denn hier etwas vorzumachen - mein Körper konnte so nicht verändert werden - das ist das, was ich zu jener Zeit dachte und auch glaubte.

Dann kam die Christsein - und Kirchgangsphase. Und das folgende Zitat von mir beschreibt auf den Punkt 100%, wie ich mich und mein Leben zu der Zeit sah und empfand:

Ich bin zum Mannsein verdammt

- ohne Ausweg - und das Ganze mit der vollen Unterstützung von Kirchenethik und Moralvorstellungen.

Doch was ich tief in mir fühlte löste sich nicht in Luft auf - es wurde von Jahr zu Jahr stärker - diese Sehnsucht danach, den männlichen Körper hinter mir zu lassen fand immer wieder irgendwie einen Weg, meine ganze Aufmerksamkeit zu erlangen.

Und dann das Beziehungsthema:
Da ich stets auf Mädchen stand - wie um Himmels willen hätte ich ahnen können, dass ich ein lesbisches - oder zumindest bisexuelles Trans*Mädchen bin?????
Ein Trans*Mädchen das auf Jungs steht - ja das ist einsichtig - und nachdem sichergestellt wird, dass es keine unterdrückte Homosexualität ist, hätte das für die meisten Menschen Sinn ergeben.

Aber hier gab es  mich - diese Mischung aus einer lesbischen/bisexuellen Persönlichkeit und dem Tomboy Charakter ........

Meine erste Freundschaft endete in einem Fiasko - ich konnte mich ja selbst wie ich war nicht lieben, sondern wollte wie meine Freundin eine Frau sein..
Als ich ihr das eröffnete suchte sie die Hilfe und den Beistand anderer Menschen und ich hatte mich zu erklären, warum ich so fühlte wie ich es nun einmal tat, und warum ich das Mannsein nicht für mich akzeptieren konnte.
Für dieses Ereignis schämte ich mich so über alle Maßen, dass ich mir selbst schwor mein Geheimnis tief in mir zu verschließen und NIEMALS WIEDER IRGEND JEMANDEM davon zu erzählen. Und das tat ich ganze 30 Jahre lang - bis mein Körper mir unmissverständlich klar machte - ändere etwas an deinem Leben - oder lasse diese Welt hinter dir. Ich entschied mich für das Leben.
Wie ihr also sehen könnt passte ich in keine Kategorie.
Menschen um mich herum steckten mich einfach in die Kategorie: Mann - und ich wurde eine Einzelgängerin - ein einsames Mädchen welches in der Nacht zum Leben erwachte - ich tagträumte mir mein Frausein an meiner Lebenszeit vorbei, nur um morgens aufzuwachen und mich selbst zu fragen, ob ich nun komplett verrückt geworden war.


Was ich eigentlich damit sagen möchte ist Folgendes:
Wenn du als die typische Frau geboren wirst, die das weibliche Stereotyp erfüllt dann ist es »relativ« einfach herauszubekommen, was denn hier verkehrt herum läuft und den Hinweis auf die eigene Transsexualität zu verstehen.
Ich selbst bin das lesbische/bisexuelle Tomboy Mädchen - also wie um alles in der Welt sollte jemand auf die Idee kommen, ich sei ein Trans*Mädchen?
Naja, es gab schon immer wieder Hinweise darauf in meinem Leben - aber ich denke ihr wisst in welche Richtung das geht.
Es gab einen Bereich, bei dem konnte ich immer felsenfest sicher sein, das etwas ganz total verquert und gänzlich aus dem Ruder war: bei meiner Sexualität und bei meinen Körper - sie waren mir beide so fremd wie Aliens.
Zu der Zeit achtete und respektierte ich meinen Körper nicht - ich benutzte ihn wie eine Maschine, nur um einen Funken Leben spüren zu können, während ich extrem Sport betrieb. Ich versuchte ein männliches Rollenstereotyp zu leben, welches für mich nie funktionieren würde - ganz einfach deswegen, weil ich kein Mann war.
Ihr könnt mir wirklich glauben, wenn ich sage ich versuchte eine Sexualität zu akzeptieren, die mir bei meiner Geburt physiologisch zugewiesen wurde - es funktionierte einfach nicht - und hat auch nie funktioniert.
Aber nun - endlich - nachdem ich Hormontherapie habe und eine geschlechtsangleichende OP hinter mir - nun habe ich einen inneren Frieden gefunden und das Gefühl von Glück, welches ich in meinem ganzen, bisherigen Leben niemals hatte - und nun fühlt es sich einfach nur richtig und stimmig an.

Warum schreibe ich über all das?

Ich schreibe um die Trans*Menschen dort draußen in der Welt zu ermutigen, die sich auch der Situation gegenübersehen, dass ihre ganze Trans*Sexualität sich auf eine einzigen Faktor reduziert: auf ihre Sexualität und ihre Genitalien. Für einige Menschen wird das der einzigste Wegweiser sein den sie bekommen, um ihre Trans*Sexualität zu erkennen.

Es geht weder um Make-Up, noch um Stereotypen, wie eine Frau sein sollte, wie sie sich verhalten oder wie sie sich benehmen sollte.
Es geht darum wie du dich mit dem Geschlecht, welches dir bei deiner Geburt zugewiesen wurde, fühlst und darum welchem Geschlecht du dich im Denken und Fühlen zugehörig fühlst. Für einige Trans*Frauen wird das vielleicht anders sein - aber ich denke es gibt dort in der Welt genug Trans*Frauen wie mich - und ich möchte euch ermutigen euch selbst ganz offen und ehrlich gegenüberzutreten - wie ihr über euren Körper, euer Geschlecht und über eure Genitalien auf die ehrlichste und tiefste Art und Weise denkt und fühlt. Möglicherweise öffnet ihr euch dann eine Tür zu einem glücklichen Leben von dem ihr bislang geglaubt habt, dass es das nicht geben kann - nur weil ihr bislang DIESEN ORT eurer Persönlichkeit vergessen habt aufzusuchen.

Erfahrene Spezialisten könne euch dabei helfen herauszufinden, wer ihr selbst seid - vorausgesetzt, sie sind offen was Trans*Menschen anbetrifft - unglücklicherweise gibt es Therapeutinnen/en dort draußen, die Trans*Sexualität immer noch nicht ernst nehmen. Es versteht sich von selbst, dass solche Personen keinerlei Hilfe darstellen können.

Egal was es euch abverlangen wird - riskiert diesen ehrlichen Blick ganz tief in euer Innerstes Wesen und bringt diese versteckten oder verdrängten Gefühle an’s Tageslicht.

Unser Herzen und unsere Körper wissen es ja schon so lange ganz tief in uns drinnen - es geht alleine um die Tatsache, ob du dieser Erkenntnis gegenübertreten kannst oder willst - unabhängig davon, was irgendwelche Rollenerwartungen oder stereotypen Vorstellungen meinen voraussetzen zu müssen - es geht um die wahrhaft einzigste Person, die in deinem Leben wichtig ist - und das bist du selbst.




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